Handwerk 4.0

„Dann mach ich eben eine Ausbildung zum Handwerker.“

Um nicht falsch verstanden zu werden, da ist nichts Ehrenrühriges dran – ganz im Gegenteil. Ohne das Handwerk funktioniert unsere Zukunft nicht, nicht alle handwerklichen Verrichtungen können digital ersetzt werden. Vielmehr ist es so, dass sich die Zeiten des autonomen Handwerkertums zunehmend dem Ende zu neigen.

In unserem vorhergehenden Beitrag hatten wir aufgezeigt, wie das Handwerk sich künftig als Glied der gesamten Wertschöpfungskette verstehen und einreihen muss, um überlebensfähig zu bleiben. Und genau hier sind insbesondere die unteren Sekundarstufen gefordert, die Schülerinnen und Schüler auf die digitale und vernetzte Zukunft vorzubereiten. Und hierbei geht es eben nicht (nur) um modernere Fertigungstechniken. Es geht vielmehr um die sich ändernden Kundenerwartungen und Beziehungen und Abhängigkeiten aller am Wertschöpfungsprozess beteiligten Parteien. Es geht um das Bestehen im Wettbewerb des Handwerks 4.0. Von ihren künftigen Ausbildungsbetrieben können sie diese Zukunftsorientierung nicht selbstverständlich erwarten. Eher führen in vielen Betrieben Unwissenheit über die Chancen von Industrie 4.0 bzw. Handwerk 4.0 und mangelnde IT-Kenntnisse zu Skepsis und einer abwartenden Haltung.

Neben einer fundierten handwerklichen Ausbildung, die die Ausbildungsbetriebe zweifelsohne im Stande sind zu leisten, geht es folglich um die Qualifizierung der Auszubildenden in puncto Kunden- und Stakeholderorientierung sowie IT-Fachkentnissen, um ihnen gute Voraussetzungen mit auf den Weg zu geben, im künftigen Wettbewerb bestehen zu können. Gleichermaßen geht es darum, die Bestandsmitarbeitenden mit auf die Reise zu Handwerk 4.0 zu nehmen und sie an die Veränderungen in ihren Arbeitsfeldern heranzuführen.

Das Handwerk als Dienstleistung zu verstehen, dies klingt zugegebenermaßen etwas schräg, aber genauso ist es, wenn sich das Handwerk 4.0 als Glied in einer Wertschöpfungskette verstehen will. Um dieses Dienstleistungsverständnis in die Lehr- und Fort- und Weiterbildungspläne der (Ausbildungs-)Betriebe zu implementieren bedarf es des Ausbaus und der Flexibilisierung der Ausbildungs-, Fort- und Weiterbildungsangebote, was bspw. durch Kooperationen mit (Fach-)Hochschulen gelingen kann. Handwerk 4.0 erfordert für die Betriebe die zunehmende Verabschiedung vom reinen Lehrberuf hin zum dualen Studiengang oder einer berufsbegleitenden akademischen oder anderen Art der Weiterqualifizierung, bspw. multimediale Lernprogramme.

Dies nicht nur des unternehmerischen Verständnisses wegen, vielmehr auch deshalb, da digitale Techniken und Produktionsverfahren zur Produktivitätssteigerung beitragen und die Effizienz der Prozesse erhöhen. Darüber hinaus eröffnet Handwerk 4.0 neue Möglichkeiten der Kundenkommunikation, neue Absatzwege sowie neue Aufgaben- und Geschäftsfelder.

Die eingangs beschriebene Unwissenheit in den Betrieben zu Industrie 4.0 bzw. Handwerk 4.0 ist diesen nicht ausschließlich anzulasten, vielmehr offenbar auf eine nicht ausreichende Aufklärungsarbeit der Politik zurückzuführen, die in diesem Punkt deutlicher gefordert werden muss. Die Sorge vor Arbeitsplatzverlusten oder dem wirtschaftlichen Nutzen aus Investitionen in digitale Techniken muss den Betrieben durch gezielte Aufklärungskampagnen genommen und Nutzen und Chancen aus Handwerk 4.0 nachvollziehbar offengelegt werden. Das geringe Interesse an Handwerk 4.0 macht deutlich, dass es nicht ausreicht, hierzu Publikationen im Internet zu veröffentlichen. Die Politik muss in die Handwerksbetriebe gehen und vor Ort (shopfloor) aufklären. Die bisherigen Bemühungen reichen nachweisbar nicht aus.

In gleichem Maße sind die Betriebe selbst gefordert ihre Mitarbeitenden auf die veränderten Arbeitsfelder vorzubereiten. Dies ebenfalls durch Aufklärungsarbeit, durch flexible Fort- und Weiterbildungsangebote, auch neben dem Beruf, durch das Vorleben einer zugewandten und positiven Haltung zu Handwerk 4.0 und vor allen Dingen der Einbindung der Mitarbeitenden in die anstehenden Veränderungsprozesse.